Weihnachten zu zweit
Plötzlich kam schließlich der Tag und Josephine war da. Fine war bereits vom Herbst 2019 bis März 2020 in Shangilia gewesen und kam nun zu Besuch, um die Kinder zu wiederzusehen. So kamen schließlich alle Kinder am nächsten Tag zu ihr und fragten: „What is my name?“ Glücklicherweise konnte Fine so gut wie alle Namen auch noch, obwohl gerade die kleinsten schon ein gutes Stück gewachsen sind in den letzten zwei Jahren. Was aber zu Verwechslungen sorgte war ihr Name, denn im Oktober war ja bereits die andere Josephine – „Josie“ – da, sodass Fine häufig dann als „Josie“ betitelt wurde, wo sie aber eigentlich bei den Kindern als „Josephine“ etabliert wurde. Irgendwann war ich auch so durcheinander, dass ich sie auch häufig mal „Josie“ nannte und alles durcheinander schmiss.
Leider konnte sie die Zeit mit allen Kindern nur kurz genießen, denn die Kinder durften über die Weihnachtsferien, die am Folgetag ihrer Ankunft begannen, nach Hause, um ihre Familien zu besuchen. So wurde der normale Plan komplett durcheinandergeworfen, da plötzlich nur noch 4 Leute von Klasse 1 da waren, um die Library zu besuchen oder zu skaten. Am stärksten zeigte sich das Ungleichgewicht beim Vorlesen, denn im Dom der kleinen Mädchen waren plötzlich nur noch drei bis vier kleine Zuhörer – die Babyjungs schlafen noch bei den Mädchen – und Zuhörerinnen. Dafür waren aber die Highschooler wieder da, mit denen ich mich persönlich sehr gut verstand. Die neue Aufteilung war also PP1-PP2 (von denen so gut wie alle Jungs über die Ferien in Shangilia blieben) Class 1-3 und Class 4-Highschool, sodass wir nun jeden Tag für alle Kinder sowohl Library als auch Skatepark öffnen konnten.
So vergingen die Tage zu zweit im Apartment relativ schnell und Weihnachten rückte näher. Am Tag vor Heilig Abend, ein Donnerstag – freier Tag -, fuhren wir ins Sarit Center, um ein paar Geschenke für die Kinder zu kaufen. Darunter ein neues Puzzle, Anspitzer zum Malen, zwei Bilderbücher zum Vorlesen und ein Springseil. Den restlichen Tag haben wir uns ausgeruht und Fine die angenehme Sonne Nairobis genossen. Am nächsten Tag war dann Heiligabend und die Weihnachtsbäume leuchteten in einem dunklen blau. Ansonsten unterschied sich der Tag von den sonstigen nicht wirklich und der Skatepark blieb bis 18:00 Uhr offen. Das einzig wirklich nennenswerte war die Schlachtung mehrerer Shangilia Hühner, die für den kommenden Tag zubereitet werden sollten. Es wurde jedoch ab dem Zeitpunkt ekelig, wo die ersten Kinder mit Hühnerbeinen im Mund an uns vorbeirannten, an Krallen nagten oder auf einstigen Schnäbeln herumkauten – Mhm lecker. Nichts für schwache Vegetarier-Nerven.
Wir zogen uns schnell zurück aufs Apartment, ich kaufte noch schnell Mandazi, einen frittierten, kenianischen Teig und wir begannen laut Weihnachtslieder zu hören. Unser Weihnachtsessen bestand dann aus Nudeln mit Tomatensoße – sehr weihnachtlich – und zum Nachttisch Mandazi. Gegen neun riefen wir dann beide unsere Familien an, um ihnen frohe Weihnachten zu wünschen. Danach teilte mir Fine mit, dass meine Mutter heimlich hinter meinem Rücken ein Weihnachtsgeschenk mit ihr organisiert hatte. Am folgenden Donnerstag würden wir zusammen ins Giraffencenter fahren.
Am nächsten Tag erwartete uns dann das kenianische Weihnachtsfest der Kinder, die selbst einen Gottesdienst mit „Entertainment“ organisierten. Nach den üblichen Liedern und Predigten, sang zum Beispiel Mildret ein Weihnachtslied auf Englisch, dann auf Kisuaheli und auf ihrer Muttersprache Luhya, was mich persönlich sehr berührt hat. An dieser Stelle mag ich kurz einwerfen, dass der Staff und einige Lehrer wie eine zweite Familie in einem zweiten Zuhause für mich geworden sind, und besonders die Beziehung zu Mildret sehr eng ist. Weiteres haben noch Kinder gerappt, es fand eine Modenschau statt und es wurden Zungenbrecher vorgetragen. Schließlich spielte ich noch „We are the world“ auf der Trompete, wo die Kinder dann gerührt mitsangen – einer meiner Top 5 Momente hier in Shangilia. Schließlich holten wir dann die bereits genannten Geschenke und spielten den Kindern eine Audio vor, wo die ehemaligen Volontäre den Kindern frohe Weihnachten wünschten, worüber sich die Kinder außerordentlich freuten, und gaben ihnen ein zusammengeschnittenes Foto von allen, was von nun an im Office hängen sollte. Anschließend wurde ich noch zu einem Tanz gezwungen, den ich den Kindern dann anlässlich ausnahmsweise auch gab. So tanzten und sangen wir auf der Tanzfläche zu Bongo Flava – einer ostafrikanischen Musikrichtung – bis es dann Mittagessen gab: Reis mit Kartoffeln, selbst geschlachteten Hühnern und besonderes Gemüse aus dem Garten. Dazu bekamen die Kinder noch eine Flasche Soda, die sie umhertauschten, um alles mal probieren zu können. Der Rest des Tages verging dann wie üblich in der Library und auf dem Skatepark, nur dass vor allem die älteren Mädchen einen Karaokegesang veranstalteten, rappten und ausgelassen tanzten. Die Geschwister Bonny und Lia, die gemeinsam sangen, haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt, sehr niedlich.
In den folgenden Tagen, zwischen den Jahren, fing es dann plötzlich viel an zu regnen, sodass wir den Kindern nur die Library öffnen konnten. Wir entschieden uns aber nun auch das LEGO aus unserem Apartment mitzubringen, dass da schon ewig lag, in dem Wissen, dass das zu noch mehr Unordnung und Chaos führen würde, aber es waren schließlich Ferien und daher sowieso relativ wenige Kinder hier, wovon die meisten leider ihre Zeit vor dem Fernseher in der Dining Hall verbrachten. Ich nutzte die Zeit, um mit dem Anspitzer alle Buntstifte der Library anzuspitzen, dass ich am Ende gerötete Finger hatte. Als es dann nach ein paar Tagen wieder etwas sonniger wurde, verschwand plötzlich der Skateparkschlüssel. Der Fall ist bis heute ungelöst. Es dauerte dann wiederum zwei bis drei Tage bis wir ein neues Schloss organisiert hatten und das alte entfernten. Wieder einige Tage ohne dem Skaten.
Am Donnerstag den 30. machten wir uns dann früh auf den Weg zum „Giraffencenter“, wo wir Babygiraffen fütterten und die größeren, die groß genug waren, um an die Stege in der Luft zu kommen, streichelten. Dabei wurde ich doch glatt von einer gierigen Baby Giraffe gebissen, die mit ihrer langen klebrigen Zunge ein weiteres Stückchen Futter haben wollte. Zurück in Shangilia kauften wir wieder Mandazi. Silvester konnte kommen!