Jazz, Brazz, Brass
Der November startete schließlich wie hier üblich warm, so wie schon der Oktober aufgehört hatte. Mit angenehmen 27 °C. Mein Repertoire an Namen erreichte einen ungewöhnlichen Höhepunkt und die Gesichter kannte ich mittlerweile alle, nur dass es halt sehr viele Namen gab, die ich entweder noch nicht gehört hatte oder das viel Wahrscheinlichere, wieder vergessen hatte. Aber ich war stets bemüht.
Ich nutzte die Zeit, um mich weiter in den Alltag einzuleben, Zeit mit den Kindern zu verbringen und begann für die Brassband ein Musikstück zu schreiben. Wer jetzt hellhörig wird – zurecht. Über die Brassband schrieb ich bisher noch nicht, weil ich ihr einen extra Blogeintrag widmen wollte. Spulen wir einmal zurück in den Oktober.
Es war der Tag an dem Josie zurückflog, an dem nachmittags auch die erste Probe der „Brassband“ stattfand. Die Brassband ist eine Band aus Schülern der Klassen 4-8 (ungefähr), die mit Blechblassinstrumenten wie Trompete, Horn, Posaune, und Tuba ausgestattet ist. Die Instrumente stammen zum Teil aus Spenden und sind teilweise schon deutlich älter als die meisten Kinder und trotz der ein oder anderen Delle, hörten sie sich immer noch fast an wie neu. Teacher Ken, der Bandleader und Dirigent, brachte den Kindern nachmittags, einzeln und in Gruppen, das Spielen bei, sodass sich daraus eine große Band aus über 20 kleineren und größeren Musikern bildete. Teacher Ken freute sich wahnsinnig darüber, dass endlich mal ein Volontär kam, der sein Blassinstrument mitbrachte, und hätte wohl am liebsten all meine anderen Verpflichtungen hier gestrichen, damit ich den Kindern ein paar Dinge beibringen konnte. Ich spiele nämlich Trompete.
Doch erst einmal hatte ich zu lernen. Meine Erwartungen an die Band wurden deutlich getäuscht. Was erwartet man schon von einer Schulband der Grundschule? Wir hatten damals immer Bruder Jacob und ähnliches geträllert. Eher grausam zuzuhören – meine Eltern waren aber immer tapfer. Doch die Band Shangilias ist alles andere als eine mittelklassige Schulband. Hier und da spielten die Kinder zwar mit einer (meiner Meinung nach) fragwürdigen – aber bei einem einzigen Lehrer erwartbare – Technik, aber die Range der Tonhöhe kam schon deutlich an das ran, was ich noch nach bestimmt neun Jahren Unterricht anstrengend fand. Die Konditionen gingen sogar noch darüber hinaus. In der ersten Probe spielte ich mir die Lippen blutig, weil ich wohl etwas zu stolz war einzugestehen, dass meine Konditionen einfach nicht an die der Kinder herankamen. Ich wusste, dass ich das mit regelmäßigen langen Trainingseinheiten ändern würde, doch war es im ersten Moment ziemlich hart für mich. Mittlerweile bewundere ich die Kinder aber dafür und muss einfach einsehen, dass neun Jahre Training wohl nicht alles mit sich bringen.
Während wir also regelmäßig probten, einmal sogar einen Auftritt im kenianischen Fernsehen hatten und die Nationale Musikschule uns einen Besuch abstattete, entschied ich mich dazu, selbst ein Stück zu arrangieren, womit die Kinder zwar nichts anfangen können würden, welches ich aber immer schonmal für eine Bläserband arrangieren wollte: Das Thema von Game of Thrones. Und nach einer kurzen Absprache mit Ken war auch dieser völlig von dem epischen Soundtrack begeistert, sodass ich mit dem Noten schreiben begann. Auf der anderen Seite hatte es auch den technischen Aspekt, dass die Kinder, die sonst immer nur traditionelle Stücke spielten, von denen sie die Melodie kannten, lernten auch mal vollkommen fremde Noten zu spielen. Und ich freute mich mal auf etwas Bekanntes, dass mir rhythmisch nicht vollkommen fremd war.
So ging der November mit dem üblichen Stress vorbei, doch in jeder Stunde meiner Freizeit arbeitete ich geduldig an dem Stück, was mich auch auf einer anderen Ebene auslastete. Ende November nach sehr vielen Abenden und noch mehr Stunden, war ich dann fertig, doch vorerst sollte die Weihnachtszeit beginnen.
Eine Kleinigkeit ereignete sich jedoch am Ende des Monats noch. Sammy, ein ehemaliger Schüler und jetzt der Mann für alles, und ich planten einen gemeinsamen Tripp nach Naivasha zum Naivasha lake. Und das besondere daran war, dass ich das erstmal mit den kenianischen Bussen, Matatu, fuhr. Es war eine … holprige Angelegenheit, doch nachdem wir um 6 Uhr morgens losfuhren, erreichten wir um etwa 9 Uhr das knapp 50km entfernte Ziel. Als wir dann aber mit dem Boot auf den See fuhren, Hippos betrachteten und die wohl hässlichsten Vögel des Planeten, Geier, über uns hinweg fliegen sahen, stellte ich fest: die beschwerliche Reise hatte sich gelohnt. Spätestens als wir dann komplett allein eine Insel in der Mitte des Sees besichtigten, wo wir einigen Savannen Tiere wie Giraffen und Zebras bis auf wenige Meter nahekamen, war ich vollends begeistert. Mittags, nachdem sich Sammy noch einen Fisch aus dem See mit Ugali servieren ließ und sich noch drei weitere einpackte, ging es dann zurück nach Nairobi. Die Landschaft auf dem Weg war nicht weniger faszinierend als der Ausflug auf die Insel. Damit endete schließlich auch schon der November.