See you again
Die Ferien hatten begonnen und das neu erarbeitete Programm wurde aktiv in die Tat umgesetzt. Wir bauten Legoraumschiffe mit den Kindern, bastelten, malten Wasserfarbe, gaben individuelle extra Förderungen, spielten Sportspiele, kegelten mit alten Wasserflaschen, schauten abends Filme und vieles mehr!
Die Highschooler waren nun auch wieder da und ich verbrachte auch einen großen Teil der freien Zeit mit ihnen, indem sie mir versuchten nach dem Abendessen das tanzen beizubringen – eher vergeblich. Wir sprachen über ihre Pläne nach der Schule, was sie machen wollen, wenn sie fertig sind. Ich lauschte gespannt und natürlich fragten sie dann auch mich und ich stellte fest, meine Pläne waren deutlich weniger konkret. Mich faszinierten die Ideen der Teenager, die teilweise auch genau so alt waren wie wir.
Schließlich fragten wir auch die kleineren, was diese für Berufswünsche haben. Diese unterschieden sich prinzipiell gar nicht von den Ideen der deutschen Kinder: Mich beeindruckte, dass vor allem die Mädchen Ärztinnen und Pilotinnen werden wollen, während die Jungs der fünften Klasse alle Wissenschaftler werden wollen.
Philine beschäftigte sich unterdessen viel mit einer Schülerin der siebten Klasse, die unbedingt Nachhilfeunterricht haben wollte, weil sie große Prüfungsangst hat und lernte mit ihr jeden Tag bei uns im Apartment.
An dem Tag bevor meine Eltern kamen, um mich zu besuchen, holte ich dann die Wasserbomben raus und stellte mich dem Kampf gegen die Kinder. Zugegebenermaßen flog jeder Wasserballon, den ich wirf, zurück, weil er nicht kaputt gehen wollte, und nach 10 Minuten sah ich aus wie an meinem Geburtstag. Die Belagerung ging schließlich so weit, dass ich unsere Apartmenttür verbarrikadierte und Ballons durch die Türklappe schmiss. Sie waren einfach in der Überzahl. Und mindestens die Hälfte flog wieder hinein, sodass Philine und Purity, die wir beim Lernen störten, mich rausschmissen – jetzt nicht direkt, aber doch schon irgendwie.
Marius war unterdessen nicht mehr vom Skatepark und Fußballplatz runterzubekommen. Irgendwann zeigte er mir dann auch stolz seine Ollis oder wie die Skatetricks auch immer hießen. Gerade die Skate- und Fußballkids hingen ununterbrochen an ihm, während Philine mit den Kindern malte oder bastelte und ich mit den kleinen Jungs und Mädchen Raumschiffe aus Lego baute.
Der nächste Tag sollte dann mein letzter „Arbeitstag“ sein, weil meine Eltern am Abend kommen sollten. An diesem Tag gab es ein Fußballturnier gegen eine andere Schule aus der Nachbarschaft. Das Shangiliateam bestand nur aus Mädchen und soweit ich das als jemand sagen kann, der keine Ahnung von Fußball hat, waren unsere Mädchen auch gut und haben glaube ich auch gewonnen. Das spannende war jedoch, dass ich am selben Tag, überall auch Mädchen Fußballspielen gesehen habe, die das sonst eher so überhaupt nicht taten. Ich war froh, dass diese Stereotypen in Shangilia an vielen Stellen aufgebrochen wurden. Es gab viele Skatergirls und Ballsportlerinnen und bei den Jungs einige, die Ballett tanzten, und das in einer kenianischen Gesellschaft bei der es, so wie ich sie erlebt habe, noch sehr viele Rollenbilder gibt. Männer mit langen Haaren wie ich, die eher nicht so von Sport zu begeistern sind, oder auch hellhäutige Frauen, die sich aus ästhetischen Gründen für kurze Haare entscheiden, wie Fine, die noch über Weihnachten da war, sind ungewöhnlich und stechen hervor. Doch in Shangilia, so habe ich feststellen können, wandelt sich das, es steht die Person im Fokus, das Verhältnis mit den Kindern, auch wenn sie ständig meinten, dass ich aussehe wie ein Mädchen, und das ist meiner Meinung ein wichtiger Schritt, auch für eine offene und tolerante Gesellschaft.
Am Abend kamen meine Eltern dann und wir verbrachten noch zwei Tage in Shangilia, wo ich ihnen Einblicke in Nairobi und das Projekt verschaffen konnte. Sonntag ging es dann auch mit Philine und Marius in die Massai Mara, auf eine dreitägige Safari. Von da aus ging es für sie zurück und für uns eine Woche an die Küste.
Als wir dann am 23.03 wiederkamen, blieb mir noch ein letzter Tag, um mich endgültig zu verabschieden. Ich machte abends nochmal Chapati, auch für Joyce, Tes und Ken und am nächsten Tag bereiteten die Kinder eine Überraschung für mich vor. Die Kinder haben ein Plakat für bemalt, wo sie alle unterschrieben.
Bevor ich dann zum Flughafen fuhr versammelten wir uns nochmal an der Bühne und ich sagte „Kwaherini“ – Auf Wiedersehen. Und auf das Wiedersehen legte ich einen großen Wert, indem ich nochmal auf ein Zitat aus dem Lied verwies, was ich bereits zuvor für die Kinder gespielt hatte. „We´ve come a long way from where we began. Oh, I´ll tell you all about it when I see you again.”
Abschließend möchte ich mich nochmal für die fantastischen sechs Monate bedanken! Mittlerweile bin ich wieder zuhause angekommen, nach einem tränenreichen und sehr traurigen Abschied. Ich durfte viele Erfahrungen, Erinnerungen und Freunde sammeln, die mich stets begleiten werden. Es gab aber auch die Zeit, wo ich schließlich in den Konflikt mit mir selbst kam, ob das denn wirklich so richtig war, dass ich jetzt aus einem anderen Land einfach komme, für sechs Monate da bin und dann einfach wieder verschwinde. Daran habe ich vorher nicht wirklich gedacht, muss ich ehrlich zugeben und im Nachhinein muss das natürlich auch mit dem Gewissen vereinbart werden. Feststeht für mich, dass es mit diesen sechs Monaten nicht enden kann und darf! Ich habe vor mich weiter für die Kinder zu engagieren, sei es im Jugendclub, ein erneuter Besuch oder ein regelmäßiger Kontakt über facetime mit den Kindern. Was ich jedem mitgeben kann ist, dass man sich vorher intensiv Gedanken machen sollte, welche Bedeutung der Flug nach Kenia hat. Man baut über Zeit eine Bindung mit den Kindern auf, die dann mit der Abreise gekappt wird! Das muss man vor Augen haben. Aber deswegen ist die Organisation Shangilia auch so gut, denn sie bietet Möglichkeiten, dass der Kontakt auch nach der Zeit aufrechterhalten werden kann und man sich beispielsweise im Jugendclub weiter engagieren kann. Für mich war dies eine großartige Zeit, die mich hoffentlich auch zukünftig weiter prägen wird, weil ich weiß, dass ich die Möglichkeit habe weiterhin mit den Menschen in Kenia, den ehemaligen Volunteers und dem Jugendclub in Verbindung zu bleiben. I hope, I will all see you again!