Der letzte Monat
Als wir aus Kisumu wiederkamen wurden wir von den Kindern umringt, die uns fragten, wo wir den waren und ob wir etwas für sie mitgebracht hätten. Am besten für jeden einen Fisch! Hatten wir natürlich nicht, aber für die Küche und Joyce, die uns netterweise bei der Buchung der Tickets geholfen hat, hatten wir ein paar Fische mit.
Die nächsten Tage vergingen dann erstmal wie üblich, nur dass wir anfingen einen neuen Ferienplan auszuarbeiten, weil der alte, relativ unspezifisch und eher für eine Person ausgerichtet war. Ende Februar fing es dann plötzlich richtig heftig an zu regnen und hageln, dass an Skatepark schon gar nicht zu denken war und aufgrund der Klausurenphase auch die Library nicht aufgemacht werden sollte, weil es angeblich zu viel Lärm wäre. Wir hatten irgendwie sehr wenig zu tun und versuchten die Zeit mit Wassermalfarbe und Basteln herumzubekommen. Unterdessen ging das Proben in der Brassband weiter und ich fing wieder an mit den älteren ein paar Stücke einzustudieren, unter anderem die Tribute von Panem Hymne, die die ältesten aus der Movienight kannten.
Am ersten März lud mich die 5. Klasse und Teacher Betty zum Homesienceunterricht ein und ich durfte die traditionelle Küche kennenlernen und als Vorkoster das von den Kindern Gekochte probieren. Für mich gab es gekochte Banane, Arrowroot und Süßkartoffel! Auf das Huhn verzichtete ich gekonnt. Es war ein schöner Vormittag mit den Kindern im Unterricht und am Nachmittag sollte es weitergehen, denn ich machte mit Teacher Redempter aus, dass ich eine begleitete Unterrichtsstunde in dem Musikunterricht der 6. Klasse geben durfte, indem ich einen Exkurs über die Verwendung von Filmmusik vorbereitete. Die Klasse freute sich zwar mehr über die drei, vier Filmszenen, die wir schauten, als über das inhaltliche, aber am Ende hatten wir alle Spaß und zwei Schüler aus der Brassband fanden sich schließlich auch, die mit mir das Thema noch weiter ausarbeiten wollten, sodass wir hinterher anfingen ein Stück aus Star Wars aufzuschreiben und einzustudieren.
Am Abend entschieden Philine und ich uns dann noch dafür, bei den Kindern im Dormitorium zu übernachten. Ich hatte es leicht, denn die Auswahl war nicht groß. Es gab nur in der Penthouse bei den großen Jungs Platz! Philine verpflichtete sich dadurch mal in allen fünf Schlafsälen der Mädchen einmal zu schlafen. Wir hörten noch Musik bis spät abends, erzählten uns Geschichten und schliefen dann in einer Reihe nebeneinander ein. Am nächsten morgen um 6 Uhr, gings dann raus und ich war froh, dass ich deutlich weniger verschlafen war als die Jungs, die mir immer vorhielten, wir Deutschen würden so viel schlafen.
Leider sollten die Ferien dann am Freitag schon beginnen, aber am Donnerstag gab es nochmal einen ordentlichen Abschluss und wir opferten unseren freien Tag, um Kekse für alle Kinder zu backen. Während der Zeremonie wurden auch die Vorschulkinder in die erste Klasse graduiert und rannten in knuffigen Kostümen auf die Bühnen und bekamen eine Urkunde. Unterdessen übernahmen Tes, Steve, Nelly und Faith Kamara, die schon aus der Highschool wieder kam, unsere Aufgabe, Plätzchen zu machen, weil sie einfach mega viel Spaß am Ausstechen, Rollen und Bestreichen hatten. Die ein oder andere Schüppe wurde durch Teresias Ablenkung dann etwas dunkler aber all in all lief das reibungslos.
Am Ende des Programms reservierte ich mir einen Zeitslot, um mich bei den Kindern, die am nächsten Tag nach Hause gehen würden, zu verabschieden und nochmal Tschüss zu sagen, weswegen wir ja auch die Kekse gemacht hatten. Und als Musiker machte ich das selbstverständlich nach ein paar Worten auf der Trompete mit einem Song. Bis dato habe ich es häufig vermieden für die Kinder auch Solos zu spielen, Weihnachten und dieser Tag waren die Ausnahme. Also spielte ich „See You Again“ von Wiz Khalifa und ich glaube im Nachhinein die Message kam gut an, denn die nächsten Tage wurde ich noch häufig gefragt, wann ich wiederkommen würde.
Ich glaube es würde zu weit führen von jedem Abschied am folgenden Tag zu erzählen, aber über einen, der uns alle sehr ans Herz ging, wollte ich schreiben. Chris, ein 5. Klässler, hat man normalerweise nie aus dem Skatepark kriegen können, doch an diesem Tag stand er den ganzen Tag in seiner dicken Jacke gepackt und mit dem Rucksack auf dem Rücken am Tor und hat auf seine Mutter gewartet. Doch sie kam nicht. Nach 6 Stunden ging ich dann irgendwann zu ihm hin und fragte ihn, ob wir zusammen auf den Skatepark gehen wollen, wo Marius sicher auch ein Board für ihn haben würde. Also gingen wir zusammen auf den Skatepark und er skatete ein wenig – eher trist. Es wurde mittlerweile Abend und um 6:00 PM schlossen wir den Skatepark und machten uns auf dem Weg zum Apartment. Gegen halb sieben klopfte es dann an der Tür. Chris stand da, strahlend über beide Ohren. Seine Mutter war gekommen und er konnte jetzt nach Hause, aber weil er wusste, dass er uns, wenn er wiederkäme, nicht mehr in Shangilia sehen würde, wollte er nochmal kommen und Tschüss sagen. Wir mussten unsere Tränen unterdrücken als wir ihn nochmal in den Arm nahmen und ihm und seiner Mutter winkten, als sie das Gate Shangilias verließen.
Als wir am nächsten Tag mit Sammy zum Markt gingen, nahmen wir Lawrence mit, einen normalerweise sehr „aktiven“ Jungen aus der zukünftigen siebten Klasse, der relativ wenige Erfahrung außerhalb von Shangilia machen durfte bis jetzt. Es war spannend zu sehen, wie der sonst sehr aufgeweckte und aktive Junge, plötzlich unsicherer wurde, denn die Umgebung hier kannte er noch nicht, weshalb er sich auch die ganze Zeit an Marius klammerte. Nach dem Einkauf auf dem Markt gingen wir noch ins Vakuvaku Hotel und aßen da Chapati, zu einer Bäckerei und kauften in einer Bar (im Slum!) Getränke. Für Lawrence hatte sich der Ausflug definitiv gelohnt, denn er bekam ebenfalls von allem was ab und konnte wertvolle Erfahrungen über das Leben außerhalb von Shangilia sammeln.