Ein paar linguistische Beobachtungen (Teil 1)

 

Der Titel klingt jetzt etwas hochgestochen – natürlich bin ich (noch?) keine Sprachwissenschaftlerin, aber auch als Laiin sind mir hier zu den verschiedenen Sprachen einige interessante Dinge aufgefallen, ich bin ja nun schließlich auch schon ein Weilchen hier. Wie viele Leser*innen wahrscheinlich wissen, gibt es in Kenia zwei Amtssprachen: Englisch (eines nicht weniger Überbleibsel aus der britischen Kolonialzeit) und Kisuaheli (oft nur Suaheli oder auf Englisch Swahili genannt, was eigentlich nur der Name eines Stammes und der zugehörigen Region ist, durch die Vorsilbe Ki wird angezeigt, dass es sich um eine Sprache handelt). Die Sprache Kisuaheli hat ihren Ursprung zwar zu großen Teilen im Arabischen, weil die Menschen hier in Kenia aber schon so lange auch Englisch sprechen (die meisten, je nach Bildungsgrad), hat sich ins kenianische Kisuaheli auch ein wenig Englisch gemischt. Das im Vergleich zu anderen Sprachen eher ungewöhnliche englische „You´re welcome“ bzw. kurz „welcome“ als Antwort auf ein Dankeschön wurde hier z.B. wortwörtlich übertragen: „karibu“, was willkommen auf Kisuaheli heißt, folgt auch hier auf „asante“, also danke. Noch auffälliger sind Wörter wie „Caki“, bei denen einfach ein i am Wortende hinzugefügt wurde und Worte wie „Julai“, die so geschrieben werden, wie man sie ausspricht, wie es auf Kisuaheli im Gegensatz zum Englischen üblich ist. Auch die Grammatik wurde vom Englischen gefärbt: zwar kommt dies nur im sehr umgangssprachlichen Kisuaheli vor, bzw. bei niedrigem Sprachniveau, wie bei manchen unserer Kinder, aber wir hören schon häufig, dass an ein Verb auf Kisuaheli in einer eigentlich zutreffenden Zeitform die englische Endung der Verlaufsform -ing gehängt wird. Das Kisuaheli aus Nairobi ist übrigens dafür bekannt, Worte zu beinhalten, die es nirgends sonst gibt und generell nicht sehr hochsprachlich zu sein. Auch werden, sogar von den Lehrer*innen, oft englische Wörter eingestreut, zu denen es eigentlich ein kisauheli Äquivalent gäbe, wie „exams“, was in Shangilia, gerade mit Begriffen aus dem Schulalltag, damit zu tun hat, dass im Unterricht immer Englisch gesprochen wird (abgesehen vom Kisuaheli-Unterricht natürlich). Zu dem Englisch, was wir hier in Shangilia hören, lässt sich auch einiges erzählen: gerade die jüngeren Kinder, bzw. die, die noch Probleme mit dem Englischen haben, tun sich sehr schwer mit dem h, hängen es z.B. im gesprochen vor und im geschriebenen an Worte, an die es nicht gehört, aber sprechen es auch manchmal nicht aus, wenn sie es eigentlich sollten. So hören wir vom sehr redseligen Erstklässler Jabali oft die Frage „You heat in the dining hall today?“ oder „in the apartment“, selbst wenn wir nur eine kalte Mahlzeit geplant haben. Ein anderes Phänomen ist das sehr ungewöhnliche kürzen von englischen langen Begriffen; wenn sich ein Kind seinen Weg an einem vorbeibahnen möchte, müssen wir uns immer Verkneifen, ein „me“ zu dem genuschelten „excuse“ zu soufflieren und die Kinder werden in die „dining“ gerufen, wenn es für die „hall“ keine Zeit gibt. Ich hatte ja schon erwähnt, dass man auf Kisuaheli, dem Deutschen da recht ähnlich, Worte eher so schreibt, wie man sie spricht, bzw. dass die Aussprache von Vokalen wie „a“ oder „e“ der anderer Sprachen ähnlicher ist als der im Englischen. Dadurch wurden wir schon häufiger von Kindern ausgelacht und korrigiert, wenn wir den kleinen Dan gerufen haben: wir benutzen die englische Variante, die sich wie „Dän“ anhört, die Kinder mit dem kenianischen Dialekt (hier benutze ich bewusst nicht das Wort Akzent) rufen ihn so, wie er geschrieben wird. Was mich persönlich immer noch manchmal irritiert, sind die super höflichen Floskeln, die die Kinder auf Englisch benutzen: haben wir zwar Probleme damit, ihnen das „please“ bei Forderungen bzw. Bitten anzugewöhnen, so muss ich immer ein Mal blinzeln, wenn mich eine Zehnjährige fragt, ob ich ihr mit einem Blatt Papier „assist[en]“ könne. Sehr höflich ist auch, dass sich für alles entschuldigt wird, auch für Dinge, für die entschuldigende Person gar nichts kann. Wenn wir zum Beispiel stolpern oder uns etwas herunterfällt, hören direkt von mindestens einem Kind ein herzliches „soooorryyy!“. Genauso wird sich hier übrigens für jeden noch so kleinen Gefallen oder ein simples Entgegenkommen bedankt, vor allem im Umgang mit Erwachsenen. Meine persönliche Favoritin der Floskeln, die vor allem Teacher Julia sehr gerne benutzt ist aber „isn´t it?“. Während uns im Englischunterricht mühselig beigebracht wurde, diese Nachfrage am Ende eines Satzes grammatikalisch an das zuvor verwendete Verb anzupassen, hängt sie ausnahmslos „isn`t it?“ an die Sätze. Dies hängt meinen Recherchen nach damit zusammen, dass man auf Kisuaheli nur eine entsprechende Formulierung hat und diese dann so übertragen wurde. Was mir persönlich an Kisuaheli so gut gefällt und so ziemlich jeder (hier in Shangilia vorangetrieben vor allem von Teacher Martin) als Basiswortschatz beigebracht bekommt, sind die unzähligen verschiedenen Arten, „Wie geht´s?“ zu fragen. Gerade im umgangssprachlichen Kisuaheli gibt es weitaus mehr als das durch das allseits beliebte Lied „Jambo Bwana“ weit bekannte „Habari gani?“ (übersetzt übrigens: „Welche Neuigkeiten?“). Dadurch ist die mehrfach angemessene Antwort „poa“ auch einer der Begriffe, den man bei fast jeder Frage benutzen kann, auch wenn man sie gerade nicht verstanden hat. Ähnlich verhält es sich mit dem Wort „sawa“, das gerne auch zweimal hintereinander benutzt wird und sich mit „okay“ übersetzen lässt. Schade bei den Fragen nach dem persönlichen Wohlergehen hier ist allerdings, dass es üblich ist, immer automatisch mit „gut“ in den verschiedenen Varianten zu antworten, auch wenn es einem gerade gar nicht gut geht und dass damit verbunden hier sehr wenig über Gefühle gesprochen wird, auch schon vonseiten der Kinder. Die sehr vokalhaltige Sprache mit Worten, die im Regelfall recht kurz sind (als Muttersprachlerin der deutschen Sprache lässt sich das allerdings auch sehr leicht sagen), es sei denn, es handelt sich um Namen, beinhaltet auch einige Worte, die wir gut behalten und vielleicht sogar in Deutschland noch verwenden werden (kleine Vorwarnung zur Vermeidung von Irritationen zuhause!). Dazu gehören das oben genannte „sawa“, aber auch das ebenfalls vielseitig benutzbare „Pole pole!“, was so was wie „Beruhig dich!“, aber auch „Immer mit der Ruhe!“ bedeuten kann. Ein Ausruf der Verwunderung und des positiven Staunens, aber auch der Entrüstung wird uns wahrscheinlich auch erhalten bleiben: zu schön ist es, wenn die Kinder nach der Verkündung der verbleibenden Minuten in der Bücherei in ein kognitives „Gaaaiiii!!!“ ausbrechen.

Ein paar unserer gesammelten Zitate von Kindern, aber auch Lehrkräften und anderen Menschen in Shangilia stelle ich euch im nächsten Beitrag vor, damit dieser nicht allzu sehr gekürzt werden muss, zum Schluss nur noch eine Entdeckung, die vielleicht einige in Deutschland überraschen wird: das deutsche Wort „Schule“ gibt es, nur ohne das c, auch auf Kisuaheli und steht sogar für das gleiche, mit dem kleinen Unterschied, dass damit eher der Unterricht, bzw. der Schulalltag, und nicht das Schulgebäude gemeint ist.