Die Adventszeit und die Feiertage

 

Der Teil der Weihnachtsferien, den Jonas und ich dann ohne Ricardo verbrachten, war dann die tatsächliche Vor- und Weihnachtszeit. Wie anders als in Deutschland und anders, als wir sie sonst so erleben, die in Shangilia abläuft, erfahrt ihr ein wenig verspätet in diesem Beitrag.

Anders als zuhause, wo man schon ab September Spekulatius im Supermarkt kaufen kann und auch das Wetter einen so langsam auf Weihnachten einstimmt, merkten wir hier kaum etwas vom herannahenden Geburtstag des hier viel verehrten Heilands. Nur beim Einkaufen im Sarit Center bekamen wir mal Weihnachtsdeko zu Gesicht und ich persönlich konnte mich mit zum Geburtstag geschickten passenden Süßigkeiten ein wenig einstimmen.

Weil wir aber eben mit viel Weihnachts-Tüddel aufgewachsen sind, wollten wir das auch ein bisschen mit den Kindern teilen. Letztes Jahr hatten die Kinder einen Adventskalender mit süßer Füllung von den damaligen Volontär*innen bekommen, da Jonas und ich aber beide einen Teil des Dezembers außerhalb Nairobis verbringen würden, konnten wir diesen schönen Brauch hier leider nicht fortsetzen und es konnten sich nur die Verfolger der verschiedenen Socia Media-Accounts von Shangilia Deutschland (die sind immer einen Blick wert!) an einem Adventskalender mit Türchen und Bildern der Kinder erfreuen.

Als Entschädigung überlegten Jonas und ich uns dann wenigstens eine kleine Überraschung: wenigstens zu Nikolaus sollten die Kinder ein paar ihrer heißgeliebten Süßigkeiten bekommen. Waren die Kleinigkeiten zwar schnell besorgt, so stellte sich die Organisation des Schuhe-Befüllens als etwas umständlich heraus. Ich war am Abend des 5. Dezembers alleine und machte so erst einmal eine Ansage im Speisesaal beim Abendessen, um das weitere Vorgehen zu erklären: Aufgrund von Fehlkommunikation und eines daraus resultierenden unglücklichen Spoilers von Jonas, durch den die Kinder von den eigentlich zur Überraschung gedachten Süßigkeiten wussten, waren sie nämlich schon den ganzen Tag über immer mal wieder mit Schuhen zu unserer Wohnung geschlichen. Nachdem sie nun aber wussten, dass jede*r genau einen halbwegs geschlossenen Schuh (die weit verbreiteten Crocs ließen wir durchgehen) zu uns bringen sollte, stellte ich mich mit Stift und Papier bewaffnet vor unsere Tür und protokollierte jeden Schuh inklusive Lieferanten. Dass einige Kinder keine festen Schuhe zur Hand hatten, weil sie z.B. aufgrund der Ferien keinen Zugriff auf ihre schwarzen zur Schuluniform gehörenden Schuhe hatten, glichen andere Kinder gütiger Weise aus und einigen Kindern gab sogar ich dann ein paar von mir. So hatten wir dann irgendwann vier Reihen Schuhe auf unserer Veranda, die es dann, mittlerweile wieder zu zweit, zu befüllen galt. Damit niemand am frühen Morgen mehr als einen Schuh holen konnte, stellten wir sie dafür in unser Wohnzimmer und gaben sie von dort aus am nächsten Morgen unter strenger Beachtung meiner Liste an die erfreuten Kinder heraus. Auch wenn einige der Größeren verspätet vorbeikamen und die Geschenke dann nur in die Hand gedrückt bekamen, waren sowohl die Kinder mit ihren Süßigkeiten, als auch wir mit dem ziemlich reibungslosen und erfolgreichen Ablauf der Aktion zufrieden. Die Kinder fanden das Ganze sogar so cool, dass wir einige Tage nach Nikolaus immer noch erklären mussten, dass der Feiertag nur einmal jährlich stattfindet…

Die weitere Vorweihnachtszeit verlief dann, wie gesagt, eher unaufgeregt, bis auf die Tatsache, dass Jonas kurz nach Nikolaus für eine Woche mit Freunden nach Mombasa, einen tollen Küstenort Kenias in den Urlaub fuhr und ich dadurch vier Tage die einzige Volontärin war. Ich nutzte die Gelegenheit, um an einem Tag Freunde meiner Familie in einem entfernteren Teil dieser riesigen Stadt zu besuchen und an einem anderen Tag wiederum noch mehr bzw. intensivere Zeit mit den Kindern (in dem fall nur mit den Mädels*) zu verbringen: bevor es unser Volontär*innen-Apartment gab, schliefen die Freiwilligen hier bei den Kindern in den Schlafsälen, darunter auch Josie, die uns auch von dieser Erfahrung berichtet und mich dadurch dazu inspiriert hatte, dort auch einmal zu übernachten. So stiefelte ich eines Abends mit geputzten Zähnen im Schlafanzug mit meinem Bettzeug unterm Arm in den vorher von den überzeugendsten Mädchen ausgewählten Schlafsaal („nicht in `Dorm 1`, die machen ins Bett!“), begleitet von einer leichten Nervosität, die mich an frühe Übernachtungen bei Kindergartenfreund*innen erinnerte. Durch die Ferien waren die verbliebenen Mädels auf zwei anstelle von drei Sälen aufgeteilt worden und so sah ich mich nicht nur den aufgeregten Kleinen, sondern auch sehr überraschten älteren Mädchen gegenüber, als ich meine Matratze bezog. Nach einigen Diskussionen zwischen meinen neuen Zimmernachbarinnen las ich dann ein paar Geschichten aus Büchern vor, von denen ich nicht wusste, wieso sie sich im Schlafsaal anstatt in der Bücherei befanden und beobachtete, wie immer mehr Mädchen dazukamen und sich bettfertig machten. Wie ich mit der Zeit mitgeteilt bekam, würde eine Gruppe unserer Kinder am nächsten Morgen früh zur Kirche aufbrechen, weshalb viele weniger lange ihr Ferien-Privileg des Fernsehens nutzten. Auch ich war nach einem Tag mit voller Freizeit-Verantwortung recht müde und freute mich, als sich das allgemeine Licht-Ausschalten anbahnte (die meisten Kinder hier können aber übrigens im Gegensatz zu mir mit voller Deckenbeleuchtung und Gesprächen um sie herum einschlafen). Zwischenzeitig versuchte ich zwar noch, als eine der Letzten einzuschlafen, weil Gift (damals zwischen erster und zweiter Klasse) angekündigt hatte, mich im Schlaf beobachten zu wollen und wer weiß, auf welche Ideen sie noch kommen würde, musste dann aber doch nachgeben. Bis auf den vorher übersehenen Umstand der fehlenden Moskitonetze und daraus resultierendem Gesumme und Stichen, schlief ich erstaunlich gut, war aber doch froh beim Aufwachen um sieben nicht mit in die Kirche gehen zu müssen und mich deshalb in unserer Wohnung nochmal für zwei Stunden hinlegen zu können.

Nach der kurzen Zeit alleine fuhr dann auch ich in den Urlaub, ich besuchte über Weihnachten und insgesamt für zwei Wochen meinen besten Freund mit Familie in Maputo, der Hauptstadt Mosambiks. Deshalb beruht die Beschreibung der Weihnachtstage in Shangilia auf Notizen und Erzählungen von Jonas.

Am Abend des 24. (der hier, wie in vielen Ländern, aber anders als in Deutschland, weniger gefeiert wird als der 25.), versammelte sich die gesamte Belegschaft inklusive Jonas mit den in Shangilia verbliebenen Kindern hinter unserer Bühne bei den ganzen Instrumenten, jamten und sangen (hauptsächlich religiöse) Weihnachtslieder. Im Zuge dessen wurde natürlich auch gebetet, aber auch darüber gesprochen wie jede*r (gerade Jonas) sein Weihnachten typischerweise verbringt. Am nächsten Tag, dem „richtigen“ Weihnachtsfeiertag kamen dann viele Besucher*innen, um mit der Shangilia-Gemeinde zu feiern. Diese brachten (natürlich) viele Geschenke, bzw. Sachspenden und darunter auch nicht wenige Süßigkeiten mit. Mit ihnen zusammen aßen dann alle ein weihnachtliches Festessen. Am letzten Weihnachtstag gab es dann die größte Attraktion für die Kinder: gemeinsam mit den Kindern der Lehrer*innen und des weiteren Staffs fuhren alle in eine Art Kinder-Spielehalle/Indoor-Spielplatz. Von den dort begeistert benutzten Attraktionen (darunter Automaten, kleine Fahrgeschäften, Autoscooter und eine Art verrücktes Labyrinth) wurde noch sehr lange geschwärmt, auch, als ich zwei Tage später wieder in Shangilia war.

Zwischen den Jahren, wie man das in Deutschland so schön nennt, wurde ich erst herzlich begrüßt, musste dann aber mit anstrengenden Neben- bzw. Nachwirkungen des Weihnachtsfestes zurechtkommen: wegen der vielen gespendeten und großzügig verteilten Süßigkeiten (darunter auch Cola, wer kommt denn auf die Idee!?) waren die Kinder viel hyperaktiver als sonst. Auch anderweitig hing Weihnachten noch ein wenig in der Luft, was Jonas und mir recht gelegen kam, als wir etwas verspätet eine Überraschung des Jugendclubs (großteilig bestehend aus ehemaligen Volontär*innen) präsentierten: gemeinsam mit Kleinigkeiten und einem Gruppenfoto aus Deutschland bekamen die Kinder vom Club ein Grußvideo aus alten Fotos aus den verschiedenen Epochen der Freiwilligen. Trotz einiger technischer Probleme und Schwierigkeiten war die Freude der Kinder unglaublich groß und Faszination und Belustigung bei lustigen Fotos sorgte dafür, dass sich der Aufwand für uns gelohnt hatte und wir die positive Rückmeldung auch nach Deutschland schicken konnten.

Am Ende dieses wieder etwas langen Beitrags noch die Beschreibung des Endes von 2019 in Shangilia: dieses Fest verbrachte wiederum ich mit den Kindern, da Jonas auswärts feierte. Ähnlich wie in der Adventszeit, waren wir auch jetzt wenig auf den bevorstehenden Anlass eingestimmt, gerade den jüngeren Kindern war das Ende des Jahres (und Jahrzehnts!) nicht wirklich bewusst. So war das besondere für die Kinder, dass sie lange aufbleiben durften und sogar sollten, weshalb ich zum Wachhalten spätabends im Speisesaal Kniffel mit einigen spielte. Weil sich das als ziemlich anstrengend herausstellte, musste ich zwischendurch eine kurze Pause machen und als ich um kurz vor Mitternacht wieder rüber ging, war die Zahl der halbwegs wachen Kinder um einiges geschrumpft. Nach dem Countdown, gefolgt von Gebeten, rannten die plötzlich wachen Kinder mit brennender Stahlwolle (ein improvisierter Ersatz für Wunderkerzen) über den Innenhof und dann, mit Eimern zum Trommeln im Schlepptau und begleitet von „Happy New Year!“-Rufen in den Skatepark. Nachdem sich alle etwas beruhigt hatten, durften die Kinder sich zwischen Schlaf und Ausnahme-spätem Fernsehen entschieden (was für eine Frage!?) und ich fiel ins Bett.

So und jetzt könnt ihr mit uns darauf anstoßen, dass ich endlich nicht mehr über lang vergangenes, sondern aktuelle Ereignisse (nein, Themen! 😉) schreiben kann!

Bis bald!