07
Mai
2018

Anika Droop und
Felix Wasser
aus Deutschland

Beeindruckende Persönlichkeiten

In unserer Zeit hier in Shangilia, die jetzt leider schon dem Ende zu geht, haben wir viele liebenswerte und beeindruckende Kinder kennengelernt und sie alle in unser Herz geschlossen. Zu nahezu jedem Kind gibt es irgendeine Geschichte, die uns noch enger mit diesem verbindet. In diesem Blog wollen wir es wagen aus all diesen wunderbaren Kindern ein paar herauszupicken, die uns extrem beeindruckt haben.

Faith Kamara

Faith Kamara wird irgendwann mal die Präsidentin von Kenia. Diesen Gedanken hatten wir schon ziemlich früh. Mit einem unglaublichen Gerechtigkeitssinn ausgestattet scheut sie keine Verantwortung. Ihre große Leidenschaft ist das Tanzen. Wenn grade mal kein Tanzunterricht ist, was hier wirklich selten vorkommt, dann hüpft und springt sie über den Hof und kann kaum stillhalten. So ist sie auch bei den Performances immer vorne mit dabei und strahlt von der Bühne. Ihre zweite Leidenschaft sind Bücher und das Lesen. Daher überrascht es nicht, dass sie die Chefin der Bibliothek ist. Sie räumt auf, sortiert die neuen Bücher ein und regelt das Ausleihverfahren. Wobei ihre eigene Liste an ausgeliehen Büchern deutlich länger ist als die der anderen. Faith gehört in ihrer Klasse zu den besten und wenn sie bei einem Examen mal nur auf Platz 2 landet ist das für sie nur noch mehr Ansporn mehr zu arbeiten und zu lernen. Sie ist unglaublich fleißig und strebsam. Doch das hinter dieser starken und mutigen Persönlichkeit auch Nervosität und Druck steckt konnten wir in den letzten Tagen erfahren. In ihrem TED-Talk, der am nächsten Samstag als großes Event hier stattfindet, berichtet sie von dem Druck, den sie von außen verspürt und auch von dem, den sie sich selber macht. Sie erzählt auch von ihrem Gefühl immer perfekt sein zu müssen. Ein Vortrag der uns schon in den Proben sehr bewegt hat.

Vivianne Wambui

Vivianne aus Klasse 6 sticht vorallem hervor, da auf sie eigentlich alle Synonyme von tatkräftig zutreffen. Wenn man sie nach etwas fragt oder um etwas bittet, macht sie sich ohne große Nachfragen und grundsätzlich laufend auf den Weg. Dabei ist quasi ausgeschlossen, dass sie nicht umgehend oder unerledigter Dinge zurückkommt. In Kenia sind schulische Leistungen sehr wichtig und oft die Grundlage für Belohnungen und Privilegien. Doch auch wenn Vivianne in der Schule ein paar Schwierigkeiten hat, ist allen klar, dass ihr diese Belohnungen und Privilegien genauso zustehen. Denn sie packt nicht nur immer beherzt mit an, wenn irgendwo Arbeit ansteht, sondern kümmert sich auch leidenschaftlich um die Kleinen. Als große Schwester von drei kleineren Geschwistern, die auch alle hier in Shangilia leben, war das wahrscheinlich auch schon ihre Aufgabe bevor sie vor drei Jahren alle hier herkamen. Auch wenn Vivianne im Alltag eher zurückhaltend ist und nicht gerne im Mittelpunkt steht, gibt es mindestens zwei Dinge bei denen sie aufblüht und aus sich herauskommt. Wenn sie auf dem Basketballfeld steht, lässt sie die Jungs und Mädels um sie herum alt aussehen. Es kommt nicht selten vor, dass zwei oder drei Jungs außer Atem einsehen müssen, dass sie auch gemeinsam keine Chance gegen Vivianne haben. Noch mehr überrascht hat es uns allerdings, als wir sie das erste Mal auf der Bühne schauspielern haben sehen. Aus der stillen und etwas schüchternen Vivianne wird auf einmal eine beeindruckende Schauspielerin, die mit ihrer Bühnenpräsenz begeistert.

Peter Muiruri

ist auch bekannt als „little Peter“ aus einem unserer vorangegangen Blogeinträge. Seitdem wir gemeinsam mit der Sozialarbeiterin Naomi in unserer ersten Woche little Peter aus einem anderen Kinderheim nach Shangilia geholt haben blüht er von Tag zu Tag mehr auf. Musste er am Anfang noch Windeln tragen, kommt er jetzt selbstständig zu einem und sagt, er muss zum „Potty“. Er wird hier von allen behandelt wie ein kleiner Prinz und es fällt ihm nicht schwer mit seinem Grinsen, dass er auf Knopfdruck hervorzaubern kann, alle um den Finger zu wickeln. Außerdem plappert er jetzt an einem Stück. Meist Ein- oder Zweiwortsätze auf Kiswahili. Auch wir haben uns dadurch inzwischen einen guten Wortschatz angeeignet, um mit Peter viel Freude zu haben. Wenn er möchte, dass man ihm etwas gibt sagt er „Nipe“. Will er auf den Arm genommen werden hören wir immer „Nebebe“ und will er irgendwo hochgehoben werden ist die passende Phrase „Taliche Apa“. Am besten ist es aber, wenn er etwas isst und sagt „Tamu(uuu)“, was so viel heißt wie köstlich. Inzwischen hat er sich aber auch einen leichten Befehlston angewöhnt wenn er sagt „kucha!“, was so viel bedeutet wie „Komm her!“. Beeindruckend ist auch, dass er fast alle Namen der Kinder schon kennt. Seit einigen Wochen geht er auch endlich in die Vorschule. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und der Angst, dass er jetzt seinen „kleinen-Prinzen-Status“ verlieren könnte geht er inzwischen gerne in die Vorschule, wo die anderen Kindern sich liebevoll um ihn kümmern. Man merkt, dass er richtig angekommen ist und immer selbstständiger wird. Mittlerweile besteht er nähmlich zum Beispiel darauf mit den anderen gemeinsam zu essen oder sein Skateboard selbst zu tragen, auch wenn das fast größer ist als er selbst.

Charles Kiagwa

Der nächste ist Charles aus Klasse 7. Charles ist hier der King, auch wenn er es selbst nie sagen würde, denn er ist eigentich eher schüchtern und zurückhaltend. Und das obwohl Charles zu den Alleskönnern zählt und auch noch immer stilsicher gekleidet ist. Egal um welche Sportart es geht, Charles ist der Beste. Auf dem Fußballplatz, beim Basketball im Sportunterricht, beim Skaten und beim Tanzen sticht er immer heraus. Diese Sachen waren die ersten Dinge, die uns aufgefallen sind. Später, als wir auch mal mit zu Performances gefahren sind, haben wir dann festgestellt, dass Charles im Bereich Akrobatik auch alles kann. Salti, Einradfahren und Jonglieren sind für ihn kein Problem. Schon an diesem Punkt waren wir unglaublich beeindruckt und auch etwas neidisch. Doch das ist noch lange nicht Alles. Charles ist auch noch musikalisch und spielt jedes Instrument, das man hier in Shangilia lernen kann. Dazu gehören Schlagzeug, Trompete, Klavier, und und und. Schließlich haben wir dann noch festgestellt, dass er im schulischen Bereich ebenfalls zu den Besten in seiner Klasse zählt. Und das alles ohne sich in den Vordergrund zu drängen oder auch nur ein bisschen überheblich zu sein. Sehr beeindruckend!

Sharon Mdesi

Als letztes die vielleicht beeindruckenste Geschichte. Noch ist Sharon in der Pre-Unit, wird aber nächstes Jahr in die erste Klasse gehen. Sie ist größer als manche Kinder aus der dritten oder vierten Klasse und die „Chefin“ in der Pre-Unit. Besonders hervorsticht ihr sonniges Gemüt und dass sie so gut wie immer gut gelaunt ist und uns anstrahlt, wenn wir ihr über den Weg laufen. Sie ist auch diejenige, die einen mehrmals am Tag fragt – manchmal auch quer über den Hof brüllend – „Habari?“ (wie geht es dir?) und freut sich immer wieder, wenn man ihr antwortet „Nzuri sana“ (sehr gut). Neben ihrer starken Stimme hat sie einen noch stärkeren Charakter, doch das wahrscheinlich Stärkste an ihr ist ihr einer Arm. Denn auch wenn sie nur einen Arm hat, kümmert sie sich um alles selbst. Umziehen und little Peter umhertragen scheint ihr leicht zu fallen. Beim Wäschewaschen werden die Zähne dann als zweiter Arm zum auswringen benutzt. Weder von ihr noch von den Lehrern oder Kindern wird in Frage gestellt, ob sie beim Basketball mitspielen kann und so tut sie es mit einer wahnsinnigen Freude und Ausgelassenheit. Dadurch wird sie auch nie bemitleidet und es ist einfach kein Thema hier, dass sie nur einen Arm hat. Wenn man ihr die Hand gibt oder sich auch nur ihren Arm anguckt, merkt und sieht man, wie unglaublich stark dieser eine Arm ist. Die Souveränität mit der Sharon den Alltag hier in Shangilia meistert ist einfach bewundernswert.