Großreinemachen in Shangilia

 

Wenn Mittags 180 und Abends 90 Kinder in Shanglia essen, kann sich jeder vorstellen, wieviel Spül da zusammenkommt. In Deutschland würde wahrscheinlich in jeder Einrichtung eine Industriespülmaschine stehen, um dabei zu helfen diese Mengen an Spül zu bewältigen. In Shangilia gibt es da eine andere, aber trotzdem annähernd gleich schnelle Strategie. Alle, die entweder älter als acht Jahre, mindestens in der zweiten Klasse oder größer als 1,30 Meter sind – um ehrlich zu sein haben wir keine Ahnung, was das Kriterium ist – nehmen, wenn sie mit essen fertig sind, ihr Geschirr und gehen nach draußen vor die Küche. Dort stehen zwei große Eimer mit Wasser bereit. Als Erstes wird das dreckige Geschirr zunächst nass gemacht. Danach folgt eine intensive Behandlung mit einem stark eingeseiften Schwamm außerhalb des Wassers, anschließend wird das Geschirr im zweiten Eimer abgespült. Zuletzt folgt der unterhaltsamste Teil, die Kontrolle. In wechselnder Besetzung sitzen ein oder zwei Kinder hinter einem großen Eimer für die „sauberen“ Teller. Mit strengem Blick werden die vermeintlich sauberen Teller kontrolliert und jeder noch so ein kleiner Fleck triumphierend präsentiert. Dann hilft auch kein Protest oder Einspruch, auch wenn gerade ein Achtklässler seinen Teller dem Kontrolleur aus der zweiten Klasse vorzeigt. Die Prozedur muss von Vorne durchgelaufen werden.

In der Zwischenzeit hat meist schon eines von vier Teams, die sich abwechseln, angefangen die Töpfe zu spülen und den Speisesaal, sowie die Küche zu fegen und zu wischen. Dabei besteht der klassische afrikanische Besen aus einem ca. halben Meter langen Bündel Reisig. Ist alles zusammengefegt, würde jeder sofort zur Kehrschaufel greifen und das Zusammengefegte aufkehren. Nicht aber hier in Shangilia. Mit einem beherzten Griff in den Dreck und die Essensreste wird der zusammengekehrte Haufen in den Mülleimer befördert. Der Boden wird nicht mit einem Wischmopp gewischt, sondern unter Wasser gesetzt und mit großen Lappen in schwungvollen Bewegungen wieder vom Wasser befreit. In beiden Tätigkeiten haben wir uns schon versucht und haben kläglich versagt. Der Besen muss im richtigen Winkel gehalten werden, um effizient zu fegen. Und um das Wasser mit dem Lappen in die Richtung zu bewegen, wo man es hin haben will, ist auch gar nicht so einfach.

Nach ca. einer Stunde sind dann alle Teller sauber in ihrem Eimer gestapelt und Küche und Speisesaal sehen wieder aus wie vor dem Essen. Aber nicht nur das Spülen geht ohne Maschine vonstatten, auch die Klamotten von 90 Kindern werden von Hand gewaschen. Haupstächlich Sonntags morgens, aber auch an jedem anderen Tag in der Woche wird mit Seife und Bürste die rote Erde aus den Klamotten geschrubbt. Die Kinder oberhalb der besagten Klassen-, Alters- oder Größengrenze sind dabei selbst für ihre Klamotten und Bettwäsche verantwortlich, alles Andere wird auf die Gemeinschaft umgelegt. Auch beim Waschen gibt es mehrere Schritte. Im ersten Eimer werden die Kleidungsstücke nass gemacht und eingeseift. Dabei werden die T-Shirts zum Beispiel auf Links gedreht und vor Allem unter den Ärmeln und im Nacken eingeseift. Stark verschmutzte Teile werden danach auf die Arbeitsfläche oder den Boden gelegt und mit einer Bürste bearbeitet. Danach werden die Klamotten mehrmals ausgewrungen und in Eimern mit klarem Wasser ausgespült. An waschintensiven Tagen hängen dann alle Wäscheleinen und Zäune voll mit Wäsche und leichten Dingen, wie Tücher, werden zur Not auf hohem Gras zum Trocknen ausgelegt. Denn nicht nur Klamotten, sondern auch die Wolldecken aller Kinder und die Vorhänge, sowie Bettbezüge werden regelmäßig gewaschen. In einem kleinen Eimer mit kaltem Wasser ist das schon eine Wahnsinnsleistung. Erzählt man den Kindern hier, dass wir in Deutschland eine Maschine haben, die nach ein Paar Knopfdrücken eine ganze Menge Wäsche wäscht, machen die Kinder große Augen und können es sich überhaupt nicht vorstellen. Erzählt man dann noch, dass wir auch eine Maschine haben, die die Wäsche innerhalb kürzester Zeit auch trocknet, sind die Kinder völlig aus dem Häuschen.
Wir waschen meist Sonntags. Wenn die Kids mit ihren Klamotten durch sind und beim Gottesdienst im Speisesaal zusammensitzen, hat das mehrere Vorteile: die fröhliche Hintergrundmusik, es stehen uns genügend Eimer und Bürsten zur Verfügung und wir haben weniger Zuschauer. Auch wenn wir jetzt schon etwas Erfahrung haben, löst die Beobachtung von unseren Waschkünsten anscheinend immer noch wahlweise Verwunderung, Unterhaltung oder einfach nur Mitleid aus. Diese drücken sich in belustigtem Stinrunzeln, in einem Schmuzeln und dem Satz „you look so funny“ oder in der besorgten Frage, ob wir Hilfe bräuchten, aus. Bis jetzt hat uns unser Stolz aber immer noch davon abgehalten die Hilfe anzunehmen, auch wenn unsere Ergebnisse nicht wirklich erstklassig sind und das ganze Auswringen ordentlich in die Hände geht. Stattdessen nutzen wir Handwaschmittelpulver anstatt Seife und haben unseren Wäscheverbrauch runtergeschraubt. Nach einem Tag, inklusive Skatepark und „little Peter“ auf dem Schoß – am Liebsten steht er auf einem – ist die Hose halt schon etwas rot, aber jeden Tag die Hose zu wechseln ist halt nicht drin. Allein schon, weil wir für einmal Waschen bestimmt anderthalb Stunden brauchen. Da reden wir uns einfach ein, dass es den Kindern lieber ist, dass wir die Zeit dafür nutzen in dreckiger Hose mit ihnen zu spielen anstatt zu waschen.
Aber hier müssen natürlich nicht nur Geschirr, Räume und Wäsche sauber gemacht werden, sondern auch die 90 Kinder. Dafür gibt es jeden Morgen eine Duschprozession, wobei die Ältesten den Anfang machen. Wenn wir um acht Uhr in die Pre-Unit kommen, kommt es dann ab und zu vor, dass noch ein kleiner Nackidei über den Flur läuft. Nach der kalten Dusche zum Wachwerden wird sich dann gründlich mit Vaseline eingecremt. Nach einem Tag in der Schule, auf dem Skatepark, im Sandkasten und auf dem Fußballfeld werden vor dem Abendessen dann aber nochmal die Beine gewaschen. Dabei tummeln sich die Kinder im und vor dem Waschhäuschen und waschen sich selbst und auch teilweise den Anderen die Füße und Beine.
Zum Schluss noch eine Aufgabe an alle, die gerne mal wissen wollen, wie das so ist. Nehmt euch einen Tag an dem ihr morgens kalt duscht und an dem ihr eure Wäsche von ein Paar Tagen mit zwei Eimern und kaltem Wasser wascht. Wir empfehlen dabei besonders große Duschhandtücher, denn die auszuwringen ist Vergnügung pur. Danach hängt ihr sämtliche Wäsche auf der Leine auf. Die ganz Hardgesottenen können dann noch einmal die Wohnung kehren und den Dreck mit der Hand aufheben. Wobei ihr für die Realitätsnähe vorher die Kinder der nächstgelegenen Grundschule zum Reisessen mit Händen einladen solltet. Viel Spaß! 🙂